Die Flucht durch die Nacht mit einer geheimnisvollen Tüte.
Eine spannende Geschichte zum Mitfiebern!
Es regnet. Natürlich tut es das. Es wäre ja ohne Regen nicht schon schwer genug gewesen, nach Hause zu kommen.
Er packt seinen Plastikbeutel etwas fester und läuft los. Vorsichtig, so, dass er den Beutel nicht allzu sehr hin und er schüttelt. Schließlich will er keine Sauerei mit und in seiner Tüte machen.
Fast schon an die Hauswände gedrückt, läuft er durch die Stadt, begleitet von einem fast gleichmäßigen Platsch-Platsch-Platsch. Er versucht gar nicht erst, den Pfützen auszuweichen, läuft einfach hindurch.
ass seine Klamotten von Sekunde zu Sekunde nasser werden, ist ihm ebenfalls egal. Wichtig ist nur, dass er schnellstmöglich, sicher und ungesehen seinen Beutel nach Hause bringt. Da kann er sich dann auch umziehen.
Es ist schon dunkel. Das Licht der Straßenlaternen spiegelt sich in den Wasserlachen, hin und wieder wird das Spiegelbild gebrochen von Autos, die durch die Pfützen brettern. Doch für so etwas hat er gerade kein Auge. Seine Tüte und vor allem der Inhalt sind wichtiger.
Dann taucht endlich ein wohlbekannter grauer Block vor ihm auf. Es ist sein Wohnhaus - er ist zuhause. Also, fast. Nur noch eine Straße überqueren, dabei einem Auto ausweichen und die Tasche hinter sich halten...
Danach steht er endlich vor seiner Haustüre. Vorsichtig fischt er den Schlüssel aus seiner Tasche und schließt sie auf. Doch bevor er das Treppenhaus betritt, lauscht er hinein.
Keine Geräusche. Nur weit entferntes Plaudern und Musik - also Geräusche von den Fernsehern im Erdgeschoss.
Zufrieden nickt er, dann betritt er das Haus. Blitzschnell huscht er hinüber zu den Lichtschaltern und deaktiviert die Bewegungsmelder. Ein schlechtes Gewissen hat er dabei nicht. Außer ihm ist um diese Uhrzeit niemand mehr im Haus unterwegs und morgen Früh schaltet er sie wieder ein.
So hat er Dunkelheit auf dem Weg zu seiner Wohnung. Dass das Licht im Eingangsbereich anging, konnte er nicht vermeiden, das musste er in Kauf nehmen, doch jetzt, wo es dunkel bleibt, gibt es kein Licht, das ihn verrät. Offensichtlich sieht man sonst in einigen Wohnungen einen Lichtstreifen, der unter der Türe hindurch in die Wohnung fällt.
Seine nächste Etappe ist das Treppenhaus. Treppe für Treppe huscht er nach oben, versucht, möglichst leise zu laufen und gleichzeitig seine Tüte davon abzuhalten zu rascheln.
Im zweiten Stock verharrt er. Da war ein Geräusch! Ein viel zu nahes Geräusch. Und der zweite Stock ist gefährlich, dort wohnt Frau Müller, die zwar genauso belanglos ist wie ihr Name, aber ein verdammt gutes Gehör hat. Sie darf ihn nicht sehen, sie darf seine Tüte nicht sehen und vor allem darf sie nicht den Inhalt seiner Tüte sehen.
Er bleibt gut fünf Minuten einfach so stehen. Dann hört er sich entfernende Schritte. Was auch immer die Alte getan hat - ihre Garderobe neu sortiert? -, sie ist damit fertig und verschwindet aus der Gefahrenzone.
Erleichtert setzt er seinen Weg fort. Nur noch ein kleines Stück...
Als er endlich seine Wohnungstüre erreicht und es schafft, sie unbemerkt aufzusperren, würde er sich am liebsten direkt dahinter auf den Boden sacken lassen.
Er hat es geschafft! Wieder einmal hat er sich durch die Stadt und vor allem durch seinen Wohnblock mit all den neugierigen Nachbarn gestohlen, ohne dabei erwischt zu werden - ohne dass jemand herausgefunden hat, was er dabei hat.
Apropos: Es ist der Beutelinhalt, der ihn davon abhält. Bevor er es sich bequem macht, muss er sich erst einmal darum kümmern.
Er streift seine Schuhe ab - die restlichen Klamotten sind später dran. Dann geht er hinüber in seine Küche. Dort stellt er die Tüte auf dem Küchentisch ab.
Jetzt ist es soweit. Endlich.
Er holt eine silberne Schüssel heraus, nimmt den weißen Pappdeckel ab. Ihm läuft das Wasser im Mund zusammen bei dem Anblick des knusprig gebackenen Kürbiskuchen.
Sein Kuchen hat den Transport überstanden und keiner der Nachbarn hat es geschafft, ihm den Kuchen abzuluchsen.
Gelungene Mission, ganz klar.